Geschichtsphilosophie
Würden Sie gerne auf diese Nachricht reagieren? Erstellen Sie einen Account in wenigen Klicks oder loggen Sie sich ein, um fortzufahren.

Plötzlichkeit, Mutation und der dialektische Sprung

Nach unten

Plötzlichkeit, Mutation und der dialektische Sprung  Empty Plötzlichkeit, Mutation und der dialektische Sprung

Beitrag von Leser Di Jan 10, 2017 2:02 pm

1. Information - Seele - Mutation
2. Zweite Wandlung und das Tun zu mehreren
3. Dialog - Dialektik - Sprachverfahren


1.
Was hat der kybernetische Informationsbegriff und die Spenglersche Seele gemeinsam?
Eine kurze und vorläufige Antwort wäre: Information und Seele bilden einerseits nach unten hin die Durchbildung eines Verfahrens, eine Tätigkeit, deren Gehalt (d.h. die maximale Verwirklichung aller Möglichkeiten) für sich genommen von einer übergeordneten Komponente (der objektiven Wirklichkeit, oder der kybernetischen Umgebung) so wechselseitig durchdrungen ist, dass alle aus dieser gewonnenen Ausdrücke (in der Kultur ist das Sprache als Verfahren,  Technik generell und also jede Kunst) auf jeder Systemebene einen möglichst vollzähligen Bereich der Ausprägungen abdeckt.

Spengler schreibt auf S. 38 MuT "Nur von der Seele aus läßt sich die Geschichte des Menschen erschließen". Für den Kybernetiker der ersten Stunde - Wiener, von Förster, McCulloch und Günther - bedeutet das: Nur vom Informationsgehalt aus lässt sich die Technik als Taktik im täglichen Kampfe erschließen. Je dichter die Relation von System und Umgebung sich verknüpft, desto bestimmter der Informationsgehalt. Das bedeutet also, dass mindestens mit der regionalen Besiedelung einer Menschengruppe auf einen festen Platz a) das lebendige System Mensch und seine Umgebung sich durch komplexere Organisation um ein Überleben zu kümmern hat b) die augenscheinliche Kargheit der Umgebung einen höheren Informationsfluss ernötigt c) eine relativ dauerhafte regionale Organisation umso feinere technische Verfahren entwickeln muss, je widriger sich die Umgebung gegen den einzelnen Organismus gibt.

"Alle Techniken setzen sich gegenseitig voraus. Die Haltung von gezähmten Tieren fordert das Anpflanzen von Futtermitteln, die Saat und Ernte von Nahrungspflanzen das Vorhandensein von Zug- und Lasttieren ..." Es macht folglich, wenn sich die Technik und die vorgefundenen Umgebungskomponenten gegenseitig voraussetzungen für das technische Verfahren keinen Sinn hier zu trennen. Denn das Verfahren gliedert sich, wie Spengler feststellt, sobald wir es als Verfahren beschreiben wollen in diese beiden Komponenten. Die Seele aber, oder der Informationsgehalt, bilden in diesem Wechselspiel die dritte zwisschengelagerte Komponente. Die Seele vermittelt sich über System und Umgebung, Hand und Werkzeug, als Verfahren zum Erfinder seiner ganz eigentümlichen Taktik, die sich einerseits aus den Möglichkeiten der Hand und den erfundenen Realisationen an der Umgebung abarbeitet. Kurz: je gefahrenreicher die Umgebung, widriger also, desto erfinderischer muss sich die Seele beweisen, um zu überleben. Man möge hier einen großen Nachteil der mesoamerikanischen Umgebung sehen, da weder Zug- noch Lasttiere naturgegeben vorhanden waren. Damit ist dem Informationsgehalt prinzipielle Schranke gesetzt, sobald die führenden Köpfe der dort einmal einheimisch gewesenen Kulturen es nicht vermochten anderweitig durch Sitte und Religion das Zugtier durch einen Haufen Menschenstärken zu ersetzen. Bis zu einem bestimmten Punkt mag das geklappt haben, stößt aber auf prinzipielle Grenzen, da sich dort ein Autoritätsgefälle zwischen prinzipiell gleichwertigen System auf solch einer Sittsammachung dauerhaft nicht etablieren kann. Die Technik einen Konflikt zu überbrücken und aufzuheben, anstatt ihn in kurzen periodischen Folgen auszufechten ist dort nicht in dem Grade gegeben gewesen, als dass es möglich gewesen wäre diese Umgebungrückstände zu überbrucken, um eine dauerhafte regionale Kultur auszubilden.

Das führt uns zum dritten Begriff des ersten Abschnittes: Mutation. Nur von der Seele aus, sagt Spengler, sei der Mensch zu erschließen. Mit dem oben erörterten ergibt sich für die Mutation nun folgendes. Sie ist plötzlich, aus einer misslichen Lage heraus entstanden und diese lebenswidrige und gefährliche Lage brachte die denkende Hand vor die Frage von Überleben oder Aussterben. Jede Erfindung, jede Schöpfung ist ein aktiver Ausdruck, ein spurenhafter Eindruck, ein Siegeszug über die Umgebung, die sich erst dann als Mutation fortplfanzt. Anders gewendet, denn dieses "erst dann" impliziert eine Kausalreihe, das rationale Verfahren - die Mutation - ist der Anstoß einer gesicherten Kausalreihe, eine Begründerin von einer Verfahrungstradition, sobald sie sich einmal praktisch behaupten konnte. Die Seele, die so ihren Anspruch auf eine Region behauptet hat, beginnt ihn nun auszuweiten. Der Takt dieser einzigartigen Kausalreihe - von der Umgebung so bestimmt, wie nun die Umgebung siegreich durch das System Mensch bestimmt -, ist fortlaufend auch der innere Takt der zirkulären Information. Eine erstmalige Mutation, die den Kausaltakt für ein geschlossenes System bildet und damit die unterworfene Umgebung in den festen Regelungskreis des System integriert, kündet andererseits nicht den Willen abermaliger Eroberungen. Das erklärt sich aus dem Prinzip des Lebendigen selbst und muss eigentlich nicht näher erörtert werden. In den nächsten Abschnitten werden wir uns anschauen - orientiert an MuT -, inwiefern angesiedelte Systeme mit Raubzugmenschen interagiert haben könnten. Ein Hinweis sei alledings schon gegeben. Aus dem Standpunkt eines festen geregelten System mag das Eindringen einer unvorhergesehen Gefahr - ob Naturkatastrophe oder Raubmenschen ist gleichgültig, denn aus dem Standpunkt des Systems aus ist es beinahe das gleiche - der Anreiz für eine abermalige Mutation der Seele sein. Aus dem Standpunkt der Räuber aber kommen grundsätzlich mehrere aus ihrem Standpunkt und Kausalsystem erfundenen Techniken, die sie befähigten dauerhaft diesen Überlebensstil zu pflegen, zu einer gegenseitig aktiven Kommunikation (zwischenmenschliche Gewalt ist eine Kommunikation) , die von der Ordnung her verschieden ist, als es noch zwischen System und totem Objektbereich - der bloßen Natur - der Fall sein mag. Besonders dann, wenn sie sich gegenseitig etwas entgegenzusetzen machen, also beide Standpunkte trotz verschiedener Lebenstechniken auch Gegentechniken entwickelt haben - die einen zum Schutz, die anderen zum Aufbrechen der Geschütze -, müsste es systemtheoretisch zu einem Punkte kommen, wo beide Systeme sich gegenseitig ineinander überführen. Der Räuber wird sesshaft und der Sesshafte bekommt erneuten Räubercharakter. Jede geschichtsrelevante regionale Hochkultur hat diese Mutation wohlmöglich auch immer hinter sich bringen müssen. Denn eine regionale Hochkultur muss ebenso dauerhaft beide Techniken pflegen. Der Mensch einer hohen Kultur muss wissen, wann ein äußerer Feind räuberisch unterworfen muss um gleichzeitig, wechselseitig, für die eigentliche Kulturaufgabe genügend Zeit zu haben. Die Überführung dieser beiden Verfahren in eine Kultur hebt nämlich die Seele in eine neue Ordnung: Jetzt muss sie sich nämlich auch gegen andere Seelen durchsetzen, die ihr den Rang streitig machen und diese Seelen sind irgendwann ebenso sesshaft-räuberisch organisiert. Damit treten wir in die eigentliche Geschichte der Hochkulturen ein. Das ist eine neue Mächtigkeit der Seele, ein strukrurell völlig neuer Informationsgehalt und er erkämpft sich in der klugen Regulation aller Einzelglieder - Institutionen, Verbände, einzelne Mitglieder.

Das Tun-zu-mehreren erfährt in sich erneut eine vermittelde Wandlung. Das reicht erst einmal.

Leser

Anzahl der Beiträge : 91
Anmeldedatum : 21.12.16

Nach oben Nach unten

Nach oben

- Ähnliche Themen

 
Befugnisse in diesem Forum
Sie können in diesem Forum nicht antworten