Geschichtsphilosophie
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Spengler Hörspiel von Peukert

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Beitrag von ThWangenheim Mi Jan 04, 2017 9:10 pm

Ich habe gerade zufällig dieses Hörspiel von Tom Peukert zum Untergang des Abendlandes entdeckt. Lade sich runter, wer noch rechtzeitig kommt, denn das Vorwort ist sehr ausgewogen - eine Seltenheit.

http://www1.wdr.de/radio/wdr3/programm/sendungen/wdr3-hoerspiel/untergang-des-abendlandes-tom-peuckert-102.html

Was dann kommt, werde ich auch jetzt erst erhören.


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Beitrag von Leser Mi Jan 04, 2017 11:33 pm

Eine interessante Produktion. Als regelmäßiger Automobilfahrer kann ich den Unterhaltungswert eines solchen "Spektakels" allzu gut nachempfinden. Die effektisch gesteigerten Schlagwörter, die tendenziös begleitenden englischssprachigen Einwürfe - alles soll intelligent und tief-mysteriös klingen ... und mehr aber auch nicht.

Angenehm vorgelesen. Auch wenn die eine oder andere Passage den Kanzelton vermissen lässt. Hedi Kriegeskotte ist allerdings zu reserviert. Meine Güte, das ist doch keine Naturdokumentation! Sascha Icks sollte männliche Sinnlichkeit besser nicht vertonen. Überhaupt klingt Pathos bei Frauen oft pathetisch und übertheatralisch.

Die ganze Komposition behält eine eigenartig linksintellektuelle Aura.

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Beitrag von ThWangenheim Do Jan 05, 2017 12:19 am

Ja, die Vorleser finden oft nicht in die Ernsthaftigkeit, Rhythmik und Bedeutungsschwere des Textes. Einge aber schon. Wenngleich ich es anders lesen würde, aber ich würde heute auch langsamer und akzentuierter lesen, als ich es für Youtube getan habe. Weil die Stimmen, gerade die Frauenstimmen fast durchgängig den Ton nicht finden, wirkt es tagesthemenartig, unernst, abgelöst - aber die anderen Sprecher reißen den Kahn rum, wenn Sie mich fragen. Und das Vorwort ist doch eindeutig nicht linksintellektuell, oder meinen Sie das auch?

Die englischen Einsprengsel finde ich ganz gelungen. Woher wollen Sie sonst ernsthaft über Verfall und Untergang sprechende Menschen finden. In Deutschland wäre das unmöglich. Aber mir kamen einige der amerikanischen Stimmen sehr bekannt vor. Das waren ja Zitate aus dem Leben. Vielleicht war sogar George Friedmann dabei? Insgesamt habe ich es durchaus genossen.

Ein paar Zusammenstellungen allerdings haben den Spenglerschen Satzrhythmus zerstört. Ich kann mich nur an eines erinnern: "und lieber einen Flugmotor zu konstruieren als eine neue und ebenso überflüssige Theorie der Apperzeption" wurde zu "und lieber einen Flugmotor zu konstruieren als ein Gedicht"

Als sehr schön empfand ich die laufende Erinnerung an den ersten Satz. Das hatte große Wirkung... es ging um irgendwelche Fragen des späten Gehirnmenschen, sogar Kinderlosigkeit, tief in Spenglers Duktus eingewoben und dann - zur Erinnerung, worum es hier eigentlich bei all dieser unsere Gegenwart doch tief berührende Vorhersagen geht: wird zum ersten Mal der Versuch gewagt, Geschichte vorauszubestimmen. Das hat jeden Gedanken, das könne politisch zu interpretieren sein, wie die Linksintellektuellen ja ohne Unterlaß tun, im Keime erstickt. Darauf muß man erstmal kommen! ebenso wichtig und von selbst für mich beeindruckendem Sinn: die ständige Wiederholung, daß es sich um den Anfang eines 200-jährigen Niedergangs handelt. Daß also alles noch viel schlimmer komme, daß die gegenwärtige Unvernunft noch lang nicht das Ende der Fahnenstange ist. Das war gekonnt, das kann ich nicht anders sagen.

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Beitrag von Leser Do Jan 05, 2017 1:59 am

Im Ganzen gebe ich Ihnen völlig recht. Das Hauptthema Untergang scheint mir aber gerade im Vorwort bereits entschärft. Daher auch kein Zufall, dass gerade der "Superheld der linken Kulturkritik", Adorno,  zu Worte kam: "die Kritik liest sich lange wie Zustimmung [...] was bleibt, ist ein Angriff auf moralische Randpositionen des Autors". Dann, nachdem gezeigt wurde, dass mit Hitler der Cäsarismus längst der Geschichte angehöre - noch vom Eingangstitel genährt: "Vom Untergehen - Fast 100 Jahre Untergang des Abendlandes" -, der demokratische Wille sich durchgesetzt habe, hebt der Autor an: "nirgens scheint der Autor kurzsichtiger, als in diesen Momenten, nirgendwo wirkt sein Werk tragisch verlorener". Die angebliche Kurzsicht, die man bewiesen haben möchte - ich gebe zu, etwas anderes wäre im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch seltsam gewesen -, funktioniert gleichsam als Versicherung an den Bürger.

Politisch ist es nicht. Aber es hat eben diese schöngeistige Schwermütigkeit, welche auch lyrisch-müde und pessimistische Töne liebt, niemals jedoch daran denken würde es als schicksalhaften Zug einer Kultur zu betrachten, sondern in "Widersprüchen der kapitalistisch-bürgerlichen Warengesellschaft" verankert sähe. Eher so links, wie man es von einem typischen Theatermensch gewohnt ist. Das ist gar nicht einmal anklagend gemeint, bloß eben ein Kontrast zum behandelten Stoff.

So darf man auch nicht vergessen, dass, wie bereits im Vorwort Spenglers Doppelzüngigkeit nicht inhaltlich getragen sondern psyschisch auseinandergerissen wurde - das preußische Machogebelle einerseits und dann das lyrische, neohomerische Wesen -, sich innerhalb der Komposition neben jedes "wird zum ersten Mal der Versuch gewagt" das hintergründige "Dichten und Geschichtsforschen sind verwandt" stellt. Man möchte eigentlich mit aller Kraft verdeutlichen, dass hier ein regressiver Charakter mit unterdrückten Drängen und Leidenschaften dichte, dem man seine Ausfälle einfach nachsehen müsste. Das ist linksintellektuelle Aura! Der Glaube daran, dass sich ein großer Wurf auch ohne die "Mängel der Person" konstruieren ließe. Man möchte eigentlich alles harte des Spenglerschen Untergangs leugnen, möchte den langsamen Schlaf und fließenden Untergang. Nicht den jähen Fall, den Cäsarismus. Man will den hedonistischen Exzess, der sich doch aber bitte! so einrichte, dass er niemand anderen in seinem Hedonismus behindere.

"Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben."

Die englischsprachigen Ausschnitte müsste man einmal nachprüfen. Mir kam keine der Stimmen geläufig vor. Doch! Einmal dachte ich Frau Christina Hoff Sommers vernommen zu haben - jene Feministen, von der selbst Milo begeistert ist.

Nachtrag: der Auschnitt bei 12:50 ist eine Rede von Krishnamurti https://www.youtube.com/watch?v=Ywe2o4pVdSU

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Beitrag von ThWangenheim Do Jan 05, 2017 10:58 am

Adorno kam sicher deshalb zu Wort, weil er der einzige Nachkriegs"philosoph" war, der sich in Deutschland mit Spengler ernsthaft befaßt hat. Und da ich den Aufsatz Adornos kenne, darf ich sagen, daß die Einschätzung, die Peuckert hier gibt, den Nagel auf den Kopf trifft. Adorno bemüht sich zwar immerhin Spengler ernst zu nehmen, aber der "martialische Ton" widert ihn an. Und Sie zitieren doch, wie Peukert darauf hinweist, daß Adorno lediglich Randpositionen des Autors besonders moralisch nehme. Man könnte gar sagen, da ist er Adornos Zustimmung zu Spengler, die auch existiert, vielleicht nicht ganz gerecht geworden. Das war einer der Punkte, die mich wirklich überrascht haben.

Daß er die andere Seite Spenglers überhaupt einmal darstellt, daß Martialität eben nicht der ganze Spengler ist, nicht nur gebellt, sondern auch geflüstert, ins Herz gesprochen und gedichtet wird, das ist doch für gestandene Linksliberale eine Konterrevolution. So ungefähr als wenn Sie ihnen sagen, daß Wagner nicht nur Walkürenritte, sondern auch "Morgendlich leuchtet" oder "Wenn dieses Herz" komponiert und gedichtet hat.

Und jenes "nirgends scheint der Autor kurzsichtiger" (4:10) bezieht sich doch ausdrücklich darauf, daß Spengler meine, nichts werde fehlen, wenn diese Kultur untergeht. Ich glaube zwar nicht, daß Peuckert an die diesem Punkt das ganze Spektrum Spenglerscher Einschätzungen über den Wert von Kultur und den Verlust derselben ausleuchtet, aber zweifellos ist doch sein Kommentar dazu nicht ganz falsch. Denn gerade über den gleichgültigen Fatalismus haben wir doch selbst erst hier kritisch gesprochen.

Allerdings gebe ich Ihnen recht, wenn Sie sagen, man möchte alles Harte leugnen. So wird etwa ausführlich vom Gelde zitiert - was natürlich besonders "kritisch" klingt - und kein einziges Mal tritt der Begriff Blut auf, obwohl Spengler fast keinen Satz mit "Geld" formuliert, in dem das Blut nicht vorkommt, nämlich als dasjenige, welches das Geld überwindet. Aber dergleichen wäre auch ohne Schaden für den Autor im WDR nicht möglich gewesen, nehme ich an.
Andererseits hat er gewagt die Kinderlosigkeit in einen ungeheuer anklagenden Kontrast mit dem immer wieder hineinschreienden "sie sind frei" zu komponieren. Alle Chuzpe kann man ihm also weiß Gott nicht absprechen.

Ansonsten legen Sie ja sehr eindrücklich offen, was, wie ich glaube, für die Sprecher zum Teil, für irgendwelche Produzenten usw. wohl die treffendste Beschreibung ist. Und da bin ich, bei aller Freude, daß man sich überhaupt einmal mit Spengler in der Öffentlichkeit befaßt, vielleicht auch zu nachsichtig. Peuckert selbst kommt mir aber sehr viel realistischer vor. Ich könnte dem Vorwort in keinem Punkt nachhaltig widersprechen - auch wenn ich zwei drei Stellen anders formulieren würde.

-

in die jumen meind, die redikel rewoluschen - Akzent dachte ich nicht vernommen zu haben, sondern nur gestandene Jankees ; ) Aber zu Beginn sah ich das noch nicht als methodisch an und glaubte, es handle sich um akustische Aufwecker.

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Beitrag von Leser Do Jan 05, 2017 1:04 pm

Auf "demokratische Ziviliät als Dekadenzphänomen" bezog sich m.E. die bescheinigte Kurzsichtig. Nachdem dieser Geist im WDR gerufen, muss er natürlich gebannt werden. Ich bin auch komplett bei Ihnen, wenn es um die ganzheitliche Würdigung geht.

Sie haben überhaupt jedes Recht auf Nachsicht: ist er doch ein Lanzmann im Versuch, Spengler wieder ins Wohnzimmer zu bringen.

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Beitrag von ThWangenheim Do Jan 05, 2017 2:02 pm

Ja, so kann man das auch, nämlich als einen Gedanken auffassen. Das wird wohl nicht zu entscheiden sein. Die Wahrscheinlichkeit spricht womöglich für Sie.

Wobei ich annehme: erfolgreicher : )

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Beitrag von Leser Mo Jan 16, 2017 8:41 pm

Nach mehreren meditativen Sessions muss ich noch einmal die hohe Kunst dieser Komposition würdigen. Auflösende Dissonanzen wie etwa "Das Festwerden der Form" oder "Der freie Geist" oder "Gründe für das Vorhandensein von Kindern" und all jene kleinen und großen Eruptionen durchzucken das ganze Rückenmark und berühren doch schon sehr tief. Dagegen muss ich aber feststellen, dass jener wiederkehrende Satz "Hier wird zum ersten Mal ..." eher noch wie ein Weckruf daherkommt - vielleicht deshalb auch der Telefoneffekt -, als möchte man den Zuhörer daran erinnern, sobald er sich in diese verstörenden Tiefen begiebt, dass es eben bloß ein (unverbindlicher) "Versuch" sei, der hier gewagt.

Und doch zupft jedes Motiv Spenglers an einer ganz bestimmten Saite des späten Menschen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Involvierten es nicht auch spürten. Dafür ist das Stück zu ehrlich - trotz der Entschärfungsversuche, welche dagegen unecht und gestellt wirken. Eine gewisse Skepsis lichtet durch diese Bewältigungen der Spenglerschen Musik. Als wüsste man eigentlich, man mag vielleicht nicht den offenen Mut dazu haben, dass der eigene Optimismus nur eine peinliche Scham ist. Was mag wohl Peuckert gedacht haben beim Erscheinen des Tatsachenmenschen Donald Trump?

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Beitrag von ThWangenheim Di Jan 17, 2017 11:45 am

Ich denke schon, daß dieser Satz nicht mißverstanden werden kann. Sicher "Versuch", aber "gewagt" ist das eigentliche Schlüsselwort. Es unterstreicht, wie viel Angst vor den Tatsachen herrscht, und daß jenes tiefgreifende Gefühl, welches einen bei diesen Gedanken ergreift, des Mutes bedarf, das Ertragen und Akzeptieren beinhaltet.

Das Einsprechen wird im Grunde zu einer bloßen Tagesarbeit. Die Komposition erfahren ja die Mitweirkenden erst, wenn der Komiplator (also Peuckert selbst) die Sache abliefert. Dann mag es ihnen vielleicht doch kalt den Rücken heruntergeronnen sein.

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Beitrag von Faustisch Sa Aug 12, 2017 4:41 pm

Ist leider schon weg, allerdings muss ich Ihnen Herr Wangenheim, an dieser Stelle ein Kompliment machen: Ihre Stimme ist sehr gut geeignet zum Vorlesen, und dementsprechend sind auch Ihre Lesungen von Spengler von einer sehr hohen Qualität.

So bin ich übrigens auch auf Sie gestossen. Auch wenn Sie ansonsten eher ein komischer Vogel zu sein scheinen.

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Beitrag von ThWangenheim Sa Aug 12, 2017 6:01 pm

Ich glaube nicht, daß Sie mein seit langem verschollener Gebetsbruder sind. In diesem Ton können Sie woanders weiterschreiben.

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