Geschichtsphilosophie
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Befreiung vom Zwang der Gattung

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Beitrag von ThWangenheim Sa Jan 07, 2017 7:26 pm

Ich "verschiebe" den Teil eines Beitrags hierher und antworte zugleich:

"[...] Es ist gewissermaßen jenes „Dritte“ zwischen Denken und Tun und dieses „Dritte“ wollen wir daher vorläufig (un)endliche Potenzialität nennen, „daß die Befreiung vom Zwang der Gattung zunächst nur als große Möglichkeit wirkt und anfangs weit davon entfernt ist, verwirklichter Individualismus zu sein“.
Das habe ich erst jetzt voll zu würdigen gelernt. Zuvor erkannte ich nicht den vollen Umfang seines Begriffs des Menschen, der in MuT so unsystematisch-anatomisch wie möglich gefasst sein will.

Das Gerede vom Austritt aus dem Gattungszwang mache ich aber nicht mit. Insofern ist es auch nicht präzise, den Menschen als kulturelle Antwort auf natürliche Herausforderungen zu begreifen, wie es anscheinend Toynbee tut. [...]"

Am Ende des ersten Absatzes sagen Sie jenes Tertium, um das wir uns bemühen, sei die unendliche Potenzialität, welche die Befreiung vom Zwang der Gattung eröffnet, zu Beginn des darauffolgenden, Sie machten das Gerede vom Heraustreten aus dem Gattungszwang nicht mit. Das ist erklärungsbedürftig. Wenn ich Sie also bitten dürfte!

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Beitrag von Leser Sa Jan 07, 2017 9:29 pm

Entschuldigen Sie das Missverständnis! Es handelte sich dabei um ein eingeschobenes Zitat aus MuT! S. 30 bzw. (falls wir verschiedene Ausgaben verwenden?) der Teil, bevor es mit neuem Absatz beginnt "Zum 'Denken des Auges', dem verstehenden scharfen Blick der großen Raubtiere - ist damit das 'Denken der Hand' getreten."

Jene unendliche Potenzialität - als Limes angenommen - ist jedenfalls die gattungsspezifische, natürliche Potenzialität, die sich aus dem Zusammenspiel von äußerer Anatomie und Zentralnervensystem konsituiert und als denkendes Tun mit der Umgebung sich ins Verhältnis setzt. Für einen primär kulturphilosophisch orientierten Denker, der ohnehin nur noch den Abgrund vor Augen hatte, mag die Evolution unwichtig sein und die Mutation insofern relevant, als dass sie Aufstieg und Untergang vermittelt und trägt. Ich tendiere eher dazu die Grenzen überhaupt fallen zu lassen und solche Differenzierungen wie Tier, Halbmensch, Mensch höchstens als Verständigungsgesten, nicht als konstitutionellen Ausgangspunkte einer Seelenlehre zu betrachten. Dass es qualitätive Sprünge gibt, möchte ich allerdings nicht leugnen. Diese lassen sich aber in der Güntherlogik sehr gut darstellen. Jeder Einführung eines neuen logischen Ortwertes stellt solch einen Sprung dar, der massiven Struktureichtum produziert.

Ich werde diese Beitrag teilweise noch ins andere Kapitelforum übernehmen!

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Beitrag von ThWangenheim So Jan 08, 2017 10:14 am

Jetzt werden Sie ein wenig polemisch. Spengler hatte zwar durchaus den Abgrund vor Augen, aber in diesem Buch geht es ja nun weiß Gott zum größten Teil um die Entwicklung des Menschen. Man muß mit seiner Mutationslehre nicht übereinstimmen, aber eine Evolutionstheorie ist eben so nur Vermittlerin von Aufstiegsstufen. Während der Abstieg für Spengler durchaus nicht durch Mutation geschieht. Man könnte sogar - interessant genug - sagen, daß die (SS.80ff "Aber wie lang wird er auf der Höhe sein?") ausgeführten Plateau- und Niedergangserscheinungen einen evolutionären Anschein haben. Man laugt sich immer mehr aus. Keine Katastrophe, kein negativer Schlag.

Indem Sie, wie Sie sagen, die Grenzen fallen lassen wollen, um Sie hernach durch "qualitative Sprünge" wieder aufzurichten, betreiben Sie zugegeben einige Spiegelfechterei. Denn exakt von solchen qualitativen Sprüngen berichtet doch Spengler. Und wenn Sie ernsthaft die Differenzierung zwischen Mensch und Tier fallen lassen wollen (sicher ist alles graduell), dann bräuchten Sie die Begriffe ja auch nicht mehr. Wir nennen also alles aktiv Bewegliche nur noch Tier. - Im übrigen wird Ihnen dabei auffallen, daß Spengler in MuT genau das tut und verdächtig häufig den Menschen als Tier identifiziert. Und zwar nicht nur mit "Denn der Mensch ist ein Raubtier", "Das Raubtier Mensch" usw., sondern, wenn ich mich recht entsinne, manches Mal auch bloß als Tier.

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Beitrag von Leser So Jan 08, 2017 11:51 am

Mein Punkt mit der Vermittlung fiell etwas unglücklich aus. Aber ich sehe auch schon die Schwierigkeit. Nämlich zuerst mag die Mutation plötzlich aufgetaucht sein. Jäh und unerklärlich, ohne "Ursache" (meint er damit: ohne menschlich zugängliche Ursache? Das hat dann übrigens etwas Kantisches. Und zwar das Verhältnis des Erkenntniswesens zum Ding an sich - so der kausal denkende Mensch zum geheimnisvollen Rhythmus des Kosmos) aber in sich, als Mutation, auch bereits die Idee des Untergangs trägt. Ich meinte insofern also nicht, dass sich die Menschengeschichte bei Spengler durch eine Kausalreihe von Mutationen ergibt, während dann die finale Mutationen einen Selfdestruction-Befehl freilege. Das wäre ja ganz fantastisch.

Ich muss Ihnen deshalb zustimmen. Der Fall ist schleichend und lässt sich vielleicht -systemtheoretisch und auch nach einem Schema aus KuI - mit einer unerhörten Untätigkeit und gleichzeitiger historischer Erinnerung/Forschung und schwächelnden sammelwütigen Gelehrtentradition vorstellig machen, die also das System, dass die plötzliche Anfangsmutation noch bildete, immer reflektiver um sich kreisen lässt, ohne noch den Blick nach draußen mehr zu wagen. Weil alles nun mehr "drinnen" ist. Das Außen fällt seelisch weg. Es werden keine (ingenen) Entscheidungen mehr getroffen, die einen Raum hätten neu erschließen können. Was den Untergang begrifflich - denn es ist ja ein langer Prozess - durchsetzt, ist jenes Fallen zurück ins Tiereich. Der Sprung zurück gewissermaßen. Oder eher ein scheues Rückwärtslaufen, einer Katze gleich, mit den Augen dennoch nach vorne schauend und deshalb vermeinend fortzuschreiten, während der Umfang des Raumes beständig abnimmt.

Was Spengler, das sollten wir beachten, nämlich vorschlägt ist doch, da dieses bedauerliche Ende ihm so schmerzte und er doch davon überzeugt war es bewusst erkannt zu haben, ist den bewussten Akt gegen dieses lange Siechtum zu führen Als ingene Entscheidung gewissermaßen mit Stolz und Würde unterzugehen. Denn, das ist denke ich ein wichtiger Punkt, den platten Fortschrittsphilister hasste Spengler deshalb, weil seine Realisierung durchaus möglich ist. Der kritisierte Mord und Selbstmord bei Verwirklichung des Behagens ist keine Annahme für einen indirekten Beweis, dass es deshalb nicht möglich wäre (mir ist das erst jetzt klar geworden), weil es dem Raubtiercharakter der Menschen widerspreche; nein, die Selbstvernichtung meint hier nur die schöpferischen Menschen, während die Masse, "die Menschheit" sie für ihr Behagen gerne zum Opfertisch der Geschichte schleift. Im Grunde ist MuT eine ganz intime Affäre mit GdM Nietzsches.

Man mag hier vielleicht auch den Grund sehen, dass Spengler auch einfach vom Menschen als Tier spricht. Dass der Neanderthaler auf jeder Volksversammlung zu sehen sei, meint er nicht nur polemisch.

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Beitrag von ThWangenheim Fr Jan 13, 2017 1:08 pm

[Ich habe in Erfahrung gebracht, daß keine Funktion vorgesehen ist, die die neuesten Beiträge immer oben anzeigt (man bekommt das ja sonst nicht mit). Ich müßte da offenbar in den Quellcode hinein.]

M.G. schrieb: Nämlich zuerst mag die Mutation plötzlich aufgetaucht sein. Jäh und unerklärlich, ohne "Ursache" (meint er damit: ohne menschlich zugängliche Ursache? Das hat  dann übrigens etwas Kantisches.

Eine gute Frage. Ich war immer der Ansicht, es gebe hier für Spengler überhaupt keine Ursache. Er sagt ja auch: "Eine langsame, phlegmatische Veränderung entspricht dem englischen Naturell, nicht der Natur." S.27 er meint also das direkte Wirken der Natur, nicht seine Erkenntnisse darüber.

Ja, für Spengler ist Kultur = Luxus - und das ist eben nur der Lebensinhalt der schöpferischen, höchsten, bedeutendsten Menschen (wenngleich die Weltstadt, wie er sagt, durch und durch Luxus sei - denn es ist ein Luxus, der keine Kultur mehr bedeutet: Nur der Luxus der Oberschicht der Weltstädte ist wiederum Kultur, d.h. kann Kultur sein, Masse ist nie Kultur).

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